Sevilla Marathon (17.02.2019)

Eine neue Traummarke im Marathon!

 

Seit Anfang Dezember war das Training ausgerichtet auf das erste Highlight im Jahr 2019: die Teilnahme am Sevilla Marathon. Hier sollte eine neue Bestzeit über die klassische Marathon-Distanz von 42,195 km gelingen. Um mir hier Chancen auf diese Zeit ausrechnen zu dürfen, waren die folgenden Wochen geprägt von ca. 120 km Lauftraining pro Woche. Dabei war es eine mentale Herausforderung gerade in dieser dunklen Jahreszeit jeden Tag nach der Arbeit nicht nur hinaus zu gehen und die wenigen halbwegs laufbaren Strecken zu bewältigen, sondern vor allem auch jede Woche ein Intervalltraining, einen Tempolauf und einen langen Lauf mit ca. 35 km zu schaffen.

 

Aber mir gelang dies recht gut, ich wurde in dieser Vorbereitung nicht krank und flog so voller Zuversicht bereits eine Woche vor dem Marathon in den Süden Spaniens um vorher noch die Akkus wieder ganz aufzuladen, abzuschalten und ein wenig die Sonne zu genießen. Diese Urlaubswoche war viel wert und während ich in der Sonne lag, Städte besichtigte oder spanische Spezialitäten und die spanische Sprache genoss, wurden die Beine nach den tausenden Trainingskilometern immer lockerer und die Zuversicht größer für die Herausforderung.

 

Am Sonntag, den 17. Februar 2019, war es schlussendlich soweit. Gemeinsam mit 14.000 anderen LäuferInnen aus allen Ländern der Welt stand ich am Start des Zurich Maraton de Sevilla und bereit die mehr als 42 Kilometer in Angriff zu nehmen. Die Organisation zeigte sich hierbei von der für Südeuropa unerwartet guten Seite, wie sich auch im Laufe des gesamten Rennens zeigen sollte, und ich konnte ohne Probleme meine Startposition im ersten Sektor einnehmen. Die Anspannung wuchs und die Ungewissheit, was im Laufe des Bewerbes passieren würde, nahm stetig zu. Aber ich war zuversichtlich und genoss innerlich die Musik, den Trubel und die Atmosphäre. Und dann ging es auf einmal los..

 

Die ersten Kilometer war ich beschäftigt mein Tempo und auch meinem Platz im Läuferfeld zu finden. Eine große Gruppe setzte sich in Bewegung, ich versuchte mich möglichst klein zu machen und einfach in einer Truppe mitzulaufen. Weniger zu denken, weniger gegen den Wind kämpfen, sondern einfach mitziehen lassen war meine Devise. In einer Hand ein Gel haltend, mit den Augen ständig auf der Uhr um die Geschwindigkeit zu kontrollieren, so lief es die ersten zehn Kilometer ab. Die Strecke des Sevilla Marathons gilt als flachste Marathonstrecke Europas und nur eine Unterführung war zu bewältigen, ansonsten ging es breite Ausfallstraßen entlang.

 

Nach ca. 12 Kilometer nahm ich mein erstes Gel zu mir, war zufrieden wie gut ich das Tempo bisher gefunden hatte und ließ mich weitertreiben. Die Prachtstraße am Flussufer war gesäumt von Menschen und ich wollte einerseits die Kulisse genießen, war aber andererseits zu fokussiert, um mich ablenken zu lassen. Nur auf einmal schrie es von der Seite "Georg, jawoll Georg! Super!" mitten hinein in die Straße: Nadia hatte es sich nicht nehmen lassen und war entgegen ihrer Aussage doch bereits so bald in der Früh an die Strecke gekommen. Das gab nochmals einen Motivationsschub.

 

Die Strecke führte nun ein wenig weg vom Stadtzentrum, immer auf breiten Straßen entlang und unerbittlich in der Länge. Nun wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, wie unglaublich lang ein Marathon einfach ist, denn zwar war es noch nicht mühsam das Tempo zu halten, aber schließlich war auch noch nicht einmal die Hälfte absolviert. Die Halbmarathondistanz von 21,1 km passierte ich dann mit einer Durchgangszeit von 1:21.30 h, nahm das zweite Gel zu mir und wartete ab was weiter geschehen würde. Im Grunde musste ich nicht viel tun, außer beständig mein Tempo weiterzulaufen, nicht schneller zu werden und nur zu hoffen, dass es bis zum Schluss gut gehen würde.

 

So verging ein Kilometer nach dem anderen, die Beine wurden schwerer und immer häufiger dachte ich daran, wieso ich mir das eigentlich antue. Aber an den Seiten der Straßen standen nach wie vor Leute, schrieen "Venga, campeones!" und feuerten uns an. Außerdem schaffte ich es immer noch in einer mittlerweile kleiner gewordenen Gruppe mitzulaufen und hielt mich einfach im Hintergrund. Erst bei Kilometer 30 war es dann fast vorbei mit dieser Gruppe, denn nun fielen manche Personen nach hinten weg oder beschleunigten enorm. Ich blieb einfach bei meinem Tempo...

 

Der Weg führte nun wieder gen Zentrum Sevillas, die Straßen wurden kleiner und die Menschenmassen an der Seite mehr und mehr. Aber leider auch die Beine schwerer und schwerer. Mittlerweile war ich praktisch alleine unterwegs, ich versuchte nur mehr bei zwei anderen Läufern den Anschluss zu halten und rechnete erfolglos immer wieder durch, ob es sich bis zum Ende mit der gewünschten Zeit ausgehen würde. Aber bis dahin war es immer noch ein weiter Weg. Nun war es an der Zeit die Zähne zusammenzubeißen. An der Plaza de Espana war das sehr einfach, denn hier standen tausende von jubelnden Zuschauern, feuerten die LäuferInnen an und bildeten einen Spalier durch den gelaufen werden musste. Auch danach wurde es immer toller zu laufen, nur war es ein Kampf geworden. Die Beine waren bleischwer, die Kilometer zogen sich immer mehr in die Länge, die Geschwindigkeit auf der Uhr sank Gott sei Dank nur um ein paar Sekunden pro Kilometer, aber die Härte nahm zu. Langsam wurde es unerträglich und die Sehnsucht endlich anzukommen immer größer. Bei Kilometer 40 sollte Nadia nochmals am Rand stehen und daher versuchte ich irgendwie bis dorthin zu kommen. Sie stand mit Christina auch verlässlich dort, schrie mich motivierend an und dass ich noch in der Zeit sei. Das war für mich traumhaft, denn nun wusste ich, dass ich die letzten zwei Kilometer auch noch irgendwie überleben würde. Und das tat ich. Mit zusammengebissenen Zähnen und den inneren Schweinehund zerfleischend lief ich einfach weiter.

 

Dann war es auf einmal da: ich bog um die Ecke am Paseo de las Delicias, sah den blauen Teppich, die zahllosen Bögen und vor allem die Uhr. Und dann wusste ich, dass es sich ausgehen würde, die Sekunden verrannen zwar noch, aber es reichte. Nun ging es daran die Arme auszubreiten und hinein zu laufen. Ein unbeschreibliches Gefühl!

 

Im Ziel stand ich dann herum und wusste nicht was tun: mich am Boden wälzen wegen der schmerzenden Beine, vor Freude hüpfen wegen der Zeit oder einfach umfallen vor Erschöpfung. Es war dann eine Mischung aus allem und vor allem das ultimative Hochgefühl.

 

Es war ein insgesamt traumhafter und unglaublich brutaler Marathon geworden mit einem Happy-End und einer neuen persönlichen Bestzeit von 2:44.16 h. Yeah!